Ich wollte ursprünglich einen Text
zur Tsunami-Katastrophe schreiben. Ich wollte
sagen, daß uns dieses Unglück
wieder einmal drastisch vor Augen geführt
hat, wie verwundbar wir alle sind, welch
schreckliches Leiden jederzeit über
uns hereinbrechen kann. Diese Erfahrung,
dieses Bewußtsein fehlt uns im Alltag
ja. Da verdrängen wir die stets gegenwärtige
Gefahr. Der Tsunami hat uns wieder einmal
veranschaulicht und vergegenwärtigt,
wie nahe Panik, Terror und Leiden eigentlich
immer sind.
Ich wollte schreiben, daß bei solchen
Katastrophen alles getan werden muß,
um das Leiden der Opfer zu lindern. Und
daß dies bestimmt nicht der Ort und
Zeitpunkt ist, zwischen guten und schlechten
Menschen zu unterscheiden, nach dem Motto:
den Guten helfen wir, die Bösen lassen
wir liegen.
Dazu eine kleine Geschichte: Zu Silvester
diskutierten wir zuhause über den Aufruf,
heuer zugunsten der Flutopfer auf den Kauf
von Feuerwerkskörpern zu verzichten.
Meine Tochter meinte, dies sei heuchlerisch,
weil es schließlich das ganze Jahr
über Katastrophen und Opfer gebe und
man daher konsequenter- und moralischerweise
auch das ganze Jahr über sprenden sollte.
Ich entgegnete: Die reale Alternative ist
doch nicht: jetzt spenden oder immer spenden,
sondern: jetzt spenden oder nie spenden.
Deshalb sollte man jetzt spenden.
Ich wollte Bischof Wolfgang Huber zitieren,
der meiner Erinnerung nach in einem Gespräch
mit Michel Friedman sagte: Wer sich jetzt
bewußt für den Kauf von Feuerwerkskörpern
entscheide und dies damit kommentiere, daß
ihm das Leiden der Flutopfer egal sei, der
offenbare eine Kaltherzigkeit, die er nicht
nachvollziehen könne. Wenn ich Hubers
Aussagen richtig interpretiere, hält
er ein solches Verhalten auch für moralisch
für höchst verwerflich.
Ich wollte schreiben, daß ich es
auch kaltherzig und verwerflich finde, wenn
Menschen sagen: Ich esse Fleisch, obwohl
ich weiß, daß Tiere dafür
leiden und sterben müssen.
Und ich wollte schließlich schreiben:
Nachdem wir nun festgestellt haben, daß
es sich beim Tsunami um eine fürchterliche
Katastrophe handelt, deren Opfern wir uneingeschränkt
und ununterschieden helfen sollten, muß
aber auch folgendes gesagt werden dürfen:
Unter diesen Opfern gibt es bestimmt auch
kaltherzige und unmoralische Menschen. Und
diese Menschen haben den MORALISCHEN Anspruch,
daß ihnen geholfen wird, verwirkt
- weil sie selber gegenüber fremdem
Leiden gleichgültig und kaltherzig
waren. Und dann wollte ich noch die Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner zitieren:
"Wer gegen arme, hilflose Mitgeschöpfe,
die unter ihm stehen, erbarmungslos gewesen
ist, hat kein Recht, wenn er in hilflose
Lage kommt, zu einem höher stehenden
Wesen zu beten: Herr, erbarme dich meiner!"
All dies habe ich dann aber doch nicht
näher ausgeführt, keine konkreten
Zusammenhänge hergestellt, keine Schlußfolgerungen
gezogen - sondern lediglich, wie eben
geschehen, ein paar Assoziationen oberflächlich
skizziert. Warum? Weil ich aus leidvoller
Erfahrung weiß: Es gibt politisch
bzw. emotional prekäre Kontexte, in
denen man eine noch so richtige Position
noch so rational darlegen kann, dafür
aber dennoch in einem Maße verdammt
und diffamiert wird, daß man es sich
beim nächsten Mal eben sehr genau überlegt,
ob man nicht besser schweigen sollte.
Der tatsächliche Meinungsterror ist
ja meist noch schlimmer: Die Menschen verfallen
bereits in eine militante Empörungshysterie,
BEVOR sie die entsprechenden Texte überhaupt
wirklich gelesen haben! So war es auch bei
der Euthanasie-Debatte: Egal, wie sachlich,
ruhig und rational man auch auf unabweisbare
Fakten, Parallelen und Zusammenhänge
verwies - man wurde dafür verflucht,
verdammt und gekreuzigt. Hieran änderte
sich selbst dann nichts, wenn man feststellte,
daß sich die zu ziehenden ethischen
Konsequenzen ohnehin in völligem Einklang
mit der vorherrschenden und politisch korrekten
Position befinden. Erlaubt war einzig und
allein das feierliche, hirnlose Herunterbeten
der offiziell genehmigten und abgesegneten
Textbausteine.
Allein es fragt sich: Soll man sich diesem
Terror der Irrationalität und Dummheit
auf Dauer wirklich beugen? Soll man ewig
"klugerweise" auf die Wahrheit
verzichten? Nein! Man muß die Wahrheit
sagen, weil sich die Wahrheit nur so durchsetzen
kann.
Und rückblickend zeigt sich ja auch,
daß sich dieses Sagen der Wahrheit
langfristig lohnt: Heute werden in der bioethischen
Diskussion und vor allem in der biotechnischen
Praxis Positionen akzeptiert oder zumindest
respektiert, für die man vor zwanzig
Jahren noch verteufelt wurde - z.
B. daß es einen moralisch relevanten
Unterschied zwischen einer befruchteten
Eizelle und einem erwachsenen Menschen gibt.
Und so verhält es sich auch mit anderen
Wahrheiten. Das Schächten MUß
als religiöses Verbrechen, das in einem
weltlichen Staat nichts verloren hat, bezeichnet
werden! Und der heutige kühl kalkulierte,
industrialisierte Massenmord an Tieren MUß
mit den größten Verbrechen der
Menschheitsgeschichte verglichen werden! Helmut F. Kaplanwww.tierrechte-kaplan.de